40 Jahre Wüstenwanderung: Auch die richtige Kultur will gelernt werden!

 

Veränderungen sind im Leben ja mittlerweile allgegenwärtig – das Tempo wird (gefühlt) immer weiter angezogen – viele klagen darüber, dass sie in diesem ganzen Strom nicht mehr richtig mitkommen – die Suche nach Orientierung, nach einem besseren Verständnis für das, was passiert, die Suche nach Hilfen und Unterstützung ist greifbar.

Ich liebe ja Parallelgeschichten – an diesen kann man seine eigene Situation spiegeln und lernen … ich lade sie ein, mit mir einen uralten, aber bekannten Text zu betrachten … und dadurch vielleicht völlig neue Einsichten über das Lernen von Veränderungen zu gewinnen.

Es handelt sich um eine der bekanntesten Episoden aus der Geschichte des Volkes Israel: Fast jedem ist sie geläufig. Nach dem von Gott erzwungenen Auszug aus der Sklaverei in Ägypten ist das Volk Israel schließlich am Berg Horeb mitten in der Wüste angekommen. Dort erhielt es dann sein Grundgesetz – die 10 Gebote.

Eigentlich war dann der ursprüngliche Plan (Angebot) Gottes, dass das Volk danach die Wüste weiter durchqueren und ins Gelobte Land Kanaan ziehen sollte. Doch es kam ja völlig anders.

Denn das Volk Israel ist ja rund 40 Jahre lang in dieser Wüste herumgelaufen – und die Frage drängt sich auf: Warum eigentlich so lange? Warum 40 Jahre? – Denn die Strecke vom Horeb weiter durch die Wüste hätte man eigentlich in ca. 11 Tagen schaffen können               … also 40 Jahre Aufenthalt und Überleben in der Wüste statt 11 Tage Durchquerung dieser Wüste – das ist schon ein gewaltiger Unterschied!

Eine humorvolle Erklärung für die Verzögerung lautet:

Weil Mose (ihr Führer) ein Mann war!

Denn Männer fragen nicht nach dem Weg!!!

40 Jahre statt 11 Tage – dagegen sieht ja dann sogar die Planung und der Bau des Berliner Flughafens wie ein großartiges Erfolgsmodell aus. Zumindest auf den ersten Blick!!!

Denn wir müssen genauer hinschauen, worum es hier eigentlich geht: Beim Berliner Flughafen ging es um ein „normales“ industrietechnisches und logistisches Großprojekt mit definiertem Rahmen.

Beim Volk Israel ging es hingegen darum, dass ein Volk sein kulturelles Mindset von Grund auf ändern sollte: Es sollte sich voll und ganz auf den Gott verlassen, der sich ihm offenbart hatte und der es durch zehn Wunder (die Ägypter erlebten diese eher als „Zehn Plagen“) und danach durch die wundersame Durchquerung des Schilfmeeres vor der Verfolgung durch den Pharao gerettet hatte. Und Gott – wie berichtet – versammelte dann am Berg Horeb das Volk (in Unternehmen nennt man dies „eine Betriebsversammlung“) und gab ihm die Zehn Gebote als Grundgesetz (also ein Leitbild mit Vision und Mission).

Auf den ersten Blick schienen diese Gebote dem Volk stimmig! Das Volk gelobte vollmundig, „Ja, genau so wollen wir leben!“ … doch kaum ergaben sich wenige Tage oder Wochen später die ersten Verzögerungen – die Führungsspitze in Gestalt von Gott und Mose tagte zu lange fern vom Volk auf dem Gipfel des Horeb -, da brach das alte Denken und Verhalten im Volk durch. Es verlangte vom Co-Chef Aaron, dass dieser ihm einen Ersatz-Gott schaffen sollte, und zwar mit dem, was an Wertvollem verfügbar war (Gold und Schmuck) und einen Gott, der seinem bisherigen Denkrahmen entsprach: Es entstand ein goldenes Kalb!

Mich fasziniert an dieser Stelle, dass selbst persönlich erlebte Wunder das Volk nicht davon abhalten konnten, weiterhin in ihre alten Denkstrukturen zu verfallen: Die Kultur – die alten Muster – setzten sich durch.

Auch in der Folgezeit gab es immer wieder Spannungen: Das Volk verstieß wieder und wieder gegen die vereinbarten Regeln. Vor jeder Schwierigkeit wich das Volk zurück, statt neue Erfahrungen zu wagen zog es sich in Jammer- und Klagezirkel zurück. Es fand kein Lernen statt, keine Entwicklung, keine neuen Erfahrungen, keine Durchbrüche.

Die kulturelle Glaubens-Krise erreichte schließlich ihren Höhepunkt mit der Rückkehr der Kundschafter. Gott hatte Mose angewiesen, 12 Kundschafter auszusenden, die das Gelobte Land Kanaan von Nord nach Süd, von West nach Ost durchstreifen, Erkundungen einziehen und Beweise für die Fruchtbarkeit dort mitbringen sollten.

  • Nach ihrer Rückkehr haben 2 von 12 Kundschafter bestätigt, dass in diesem Land wirklich – wie Gott es versprochen hatte – Milch und Honig fließen würden, dass es überaus fruchtbar sei, dass es eine Riesenchance biete und sie diese mit Gottes Hilfe sicherlich erfolgreich bestehen würden … und sie hatten ja auch viele sichtbare Beweise der Fruchtbarkeit mitgebracht.
  • Doch 10 der 12 Kundschafter berichteten auch davon, dass viele der Einwohner des Landes Nachkommen von „Riesen“ seien, so groß und stark, dass sie sich selbst im Vergleich mit diesen als „Zwerge“ gefühlt hätten. Und überhaupt wären die Städte samt und sonders megastark befestigt usw. .

Letztlich hat sich „die Masse der zehn Kritiker und Skeptiker“ erfolgreich gegen die „zwei Pioniere und Träumer“ durchgesetzt – sie hatten das Volk so stark beeinflusst, dass die Fruchtbarkeitsbeweise und Verheißungen nicht mehr zählten, sondern die Angst vor dem Ungewissen alles verschlungen hatte!

Oder anders ausgedrückt: Die Skeptiker hatten die bisherige Denkhaltung des Volkes bestätigt, das bisher dominante Sklaven- und Wüsten-Denken hatte gesiegt … und Glauben und Vertrauen mussten vor Furcht und Zittern weichen.

Diese Sklaven- und Wüstenmentalität war eine bestimmte, selbstzerstörerische Denkweise, welche sich in zehn Glaubenssätzen ausdrückte:

  1.  Meine Zukunft ist durch meine Vergangenheit und meine Gegenwart festgelegt.
  2. Jemand muss das für mich machen, ich will die Verantwortung nicht übernehmen.
  3. Bitte alles leichtmachen – ich komm nicht klar, wenn die Dinge zu schwer sind.
  4. Ich kann einfach nichts dafür, ich muss ständig nörgeln, meckern und jammern.
  5. Lass mich nicht auf irgendetwas warten, mir steht sofort alles zu!
  6. Mein Verhalten mag ja falsch sein, aber es ist nicht meine Schuld.
  7. Mein Leben ist so mies – ich tue mir selbst leid, weil mein Leben so kaputt ist.
  8. Ich verdiene Gottes Segnungen nicht, ich verdiene nicht, dass es mir gut geht; ich bin ihrer nicht wert!
  9. Wieso soll ich nicht eifersüchtig und neidisch sein, wenn alle anderen besser dran sind als ich.
  10. Ich mach‘s auf meine Art oder ich mach‘s gar nicht.
Quelle: nach Meyer 2017: Das Schlachtfeld der Gedanken, S. 189 ff.

Schließlich hat Gott die Reißleine gezogen: Dieses Volk – so seine Erkenntnis – war noch nicht bereit für den nächsten großen Schritt, für die Eroberung des Landes Kanaan.

Ich finde diesen Erklärungsansatz spannend und schlüssig: Das Volk Israel brauchte deshalb 40 Jahre Wüstenerfahrung, weil es in seinem Denken noch nicht reif war für das Gelobte Land. Die aus Ägypten mitgebrachte Sklaven- und Wüstenmentalität musste das Volk erst überwinden und ablegen, bevor es dann die Eroberung und Einnahme des Landes anpacken konnte.

Mir gefällt folgende Definition von Kultur: „Kultur ist die Summe der Geschichten, die man sich gegenseitig erzählt.“ – Kulturelles Lernen braucht Zeit und grundlegende Erfahrungen miteinander. Wer keine Geschichten miteinander teilt, der hat – in gewisser Weise – auch keine gemeinsame Kultur. Erst die Erlebnisse und Erfahrungen sind es, die eine gemeinsame Basis – eine Identität – schaffen. Und für das Volk Israel gab es hier keine Abkürzung. Es musste erst im Zeitraum einer Generation Erfahrungen mit seinem Gott machen, um zu einem Volk mit einer gemeinsamen Kultur zu reifen.

Sicher – das Volk durfte lernen – schließlich war es dann bereit für die Einnahme des Landes Kanaan. Aber perfekt war es keineswegs. Das können wir aus der weiteren Geschichte ablesen, denn es hatte immer wieder starke Einbrüche und Glaubenskrisen … und dennoch hat es in der Wüste etwas gelernt, was es bis zum heutigen Tag auszeichnet.

Im Volk der Juden ist auch heute noch eine Sehnsucht spürbar nach dem Gelobten Land und nach einer kulturellen Einheit, die mich stark beeindruckt. Das ist eine innere Haltung, eine Kraft und Stärke, die einzigartig ist.

Diese Identität wünschen wir uns in vielen Einheiten – in Unternehmen, Gesellschaften, Nationen, Kulturen, in Regionen, vor allem in unseren Familien. Wir brauchen – gerade in den heutigen Zeiten der kulturellen Umbrüche – ein „gemeinsames Band“, das uns trägt und zusammenhält und Orientierung gibt.

Doch gleichgültig, welche besondere Aufgabe Sie in ihrem Leben vor sich sehen – Sie werden immer diesen Zweikampf erleben zwischen den Kritikern, Bedenkenträgern und Skeptikern auf der einen Seite und den Pionieren, Träumern und Visionären auf der anderen Seite.

Und diese Erfahrung haben Sie sicherlich auch schon gemacht: Wenn Sie wirklich ein Neues Land erobern wollen, eine völlig neue Herausforderung anpacken möchten, dann müssen Sie sich vom alten Leben trennen und Ihre innere Einstellung (neudeutsch: Ihr Mindset) auf die neue Aufgabe hin ausrichten. Deshalb stellen Sie sich die Fragen:

  • Was sind Sie bereit, loszulassen, um das Neue zu ergreifen?
  • Und an welchen wesentlichen Werten sollten Sie festhalten, um sich selbst nicht zu verlieren?

Veränderungen geschehen zuerst im Denken: Ich bin überzeugt, dass viele große Projekte daran gescheitert sind, dass alte Muster und Gewohnheiten uns immer wieder in den alten Zustand zurückgezogen haben.

Wir befinden uns aktuell in den letzten Wochen eines Jahres. Die bevorstehende Advents- und Weihnachtszeit und der Jahreswechsel haben ja auch immer den Reiz des Neuen: Das Neue Jahr – eine neue Seite im Lebensbuch, damit eine neue Chance scheint greifbar nahe zu sein. Wir versuchen mit guten Vorsätzen Fehler und Gewohnheiten der Vergangenheit abzulegen. Ob das gelingt, ist aber fraglich, wenn wir nicht auch unser Mindset entsprechend verändern.

Man könnte übrigens auch die Weihnachtsgeschichte als Kampf zwischen der bestehenden Ordnung und der neuen Lebenschance verstehen: Gott hat uns mit der Geburt Jesu Christi eine radikal neue Lebenschance eröffnet, denn der Heiland und Retter der Welt ist geboren. Nun können wir diese Chance ergreifen und daran glauben und vertrauen (so wie die Hirten auf dem Feld oder die Könige aus dem Morgenland) … oder wir versuchen, den alten Status Quo um jeden Preis zu verteidigen (wie der König Herodes).

Eigentlich hat Jesus sein ganzes Leben im Spannungsfeld von Glauben und Zweifeln verbracht – auf der einen Seite die kleine Gemeinschaft der Jünger, auf der anderen Seite die Pharisäer und Schriftgelehrten als die Vertreter der bestehenden Ordnung.

Und welche Chance bietet nun gerade das kommende Neue Jahr? – Bisher hatte ich auch die Formel, „ich wünsche einen guten Rutsch“ benutzt, möchte dies aber in Zukunft nicht mehr tun.

Denn es geht nicht darum, dass wir irgendwie passiv ins Neue Jahr rüberrutschen, sondern dass wir das Neue Jahr als Chance aktiv ergreifen, dass wir also gute, mutige Entscheidungen treffen. Und das möchte ich Ihnen für das Neue Jahr wünschen. : Dass Sie gute, mutige Entscheidungen treffen … im Vertrauen, im Zutrauen, im Loslassen, um wirklich neue Wege zu entdecken und zu gehen.

Manchmal braucht man dazu einen Anstoß! – Gott hat in 5. Mose 1 das Volk Israel ermutigt. Er hat ihm gesagt: „Ihr seid nun lange genug an diesem Berg gewesen! (Ihr habt ihn lange genug immer wieder und wieder umkreist!) Wendet euch nun und zieht weiter. … Siehe, ich habe euch das Land gegeben, das vor euch liegt; geht hinein und nehmt das Land in Besitz!“

Und vielleicht kann uns hier ja auch die Jahreslosung 2025 in 1. Thessalonicher 5,21 als persönliche Unterstützung weiterhelfen. Sie lautet: „Prüft alles; und behaltet das Gute!“

Also: AUF EIN SEGENSREICHES JAHR 2025 !!!